Zum Hauptinhalt springen

„Weich wie Schnee“: Kreativ schreiben und gestalten im Museum

Das Museum der Moderne Salzburg veranstaltet immer wieder Kreativ-Workshops für Menschen jeden Alters. Dabei lassen sich die Teilnehmer:innen von den Ausstellungen inspirieren, die sich besonders gut dafür eignen, kreative Prozesse anzustoßen.

So bot etwa die Ausstellung Maria Bartuszová Gelegenheit, sich nicht nur mit Worten mit dem Schaffen der Bildhauerin auseinanderzusetzen. Auch Papier, Gips und Luftballons wurden im Schreib- und Kreativworkshop „Weich wie Schnee“ (am 8. und 9. Dezember 2023) verwendet – Materialien, die Bartuszová selbst für ihre abstrakten Werke einsetzte.

Unter der Leitung von Christian Sattlecker (Schauspieler und Theaterpädagoge) und Magdalena Stieb (Kunst- und Literaturvermittlerin) stand „Texte Pflastern“ und der Umgang mit Gegensätzen auf dem Programm. Jugendliche und Erwachsene erkundeten die Ausstellung auf neue Weise. Schreibimpulse führten auf ungeahnte Wege, Gips und Schrift wurden im Atelier zusammengeführt.

Der Workshop wurde von unserem Partner Palfinger gesponsert.

Das erfolgreiche Format wird auch heuer weitergeführt: Der nächste Schreib- und Kreativworkshop ist bereits in Planung.  


Eine Auswahl der entstandenen Texte zu „Weich wie Schnee“ präsentieren wir Ihnen im Folgenden:

 

Es wird einmal gewesen sein

Interview

AV: Farbe: Aversionsweiß
LHB: Last human being: 101 Menschenjahre, Farbe: Todweiß

AV: Letzter Code in menschlicher Sprache: ‚Dank human beings — die uns AVe mittels KI erfolgreicher, optimierter, intelligenter, steuerbarer, befreit von Physis und Psyche — generiert haben, übernehmen wir nun. Willst du uns zum Abschied noch etwas mitteilen, Mensch?‘
1 💬#

LHB: Ich habe mich in meinem langen Leben nie so verzweifelt gefühlt, wie in den vergangenen zwei Jahren ohne meine Spezies. Durch den Zeitenwandel veränderte auch ich mich von  aggressivweiß, schmerzweiß, fragilweiß, stillweiß, mullweiß, zu aktuell todweiß.
Als Andenken aus längst vergangenen schneewolligweißen Winterzeiten, habe ich eine gipsweiße Laterne mitgebracht, meine Nestlaterne. Warmweiß leuchtet darin die letzte 50 Jahre alte Bienenwachskerze. Sie spendet dem Blendweiß der Umgebung noch einmal wohlweißes Licht, bevor das Gleißendweiße uns beide wohlweislich auslöschen wird. So schließe ich mit den letzten menschlichen Worten:
‚Existiere leblosweißer Planet — vormals Erde — ohne unsere Spezies. Bitte coden.‘

AV: krrrk
2 end function


Quellenangabe
https://de.wikipedia.org/wiki/Avatar_(Internet)
Künstliche Person oder grafischer Stellvertreter einer echten Person
Der Mensch zählt zu den langlebigsten Tieren und ist die langlebigste Spezies unter den Primaten

code-your-life.org
Überblick über diverse Programmier- und Robotik-Möglichkeiten, 1, 2: Turtlecoder

Elisabeth

 


 

Holzwerkstatt

In einem Wald lag zwischen den Bäumen eine alte, verlassene Holzwerkstatt. Der erste Schnee hatte sich an diesem Abend über die Bäume und das schimmelige Dach der Werkstatt gelegt. Der Nachthimmel war grauweiß und ein eisiger Wind pfiff durch die Äste.

Die Holzwerkstatt war vor vielen, vielen Jahren von einem Arbeiter gebaut worden. Er kam oft in den Wald zu seiner Holzwerkstatt, um Holz zu schneiden und daraus lackierte Skulpturen zu machen. Er schnitzte kleine Wolken, Tannenbäume und Schneeflocken. Immer wieder verkaufte er die Skulpturen am Markt im Dorf neben dem Wald, aber einige behielt er in seiner Werkstatt, auf den Regalen und auf dem Boden, wenn es keinen Platz mehr gab.
An Abenden wie diesen, an denen die Luft eisig und feucht war und nach herabgefallenem Schnee schmeckte, setzte er sich an den Tisch neben dem Fenster, zündete eine Kerze an und trank den schon abgekühlten Kakao aus, den er sich im Dorf für den Tag eingepackt hatte. Er rückte die Gardinen zu, beobachtete das Kerzenfeuer beim Flackern und atmete den vertrauten Duft nach Holz ein.
An solchen Abenden blieb der Arbeiter über die Nacht in der Holzwerkstatt, um sich vor dem Schnee zu schützen, und kehrte am nächsten Morgen in das Dorf zurück, wenn schwache Wintersonnenstrahlen durch die dichten Äste auf den hinabgelegten Schnee fielen.

Seit vielen Jahren drang der Wind durch die Ritze in der Holztür in die verlassene Werkstatt ein. Am Dach sammelte sich Schimmel und auf die verbliebenen Holzdielen und Skulpturen legte sich gelber Staub über die Jahre hinweg.

An diesem Abend fiel der erste Schnee des Winters über die Dachschräge und die Äste der Bäume. Der Schnee fing wieder an, von den grauweißen Wolken zu fallen und überdeckte die Spuren, die die Stiefel hinterließen. Die Türklinke von der Holzwerkstatt war eingerostet und der gelbe Staub wirbelte auf, als die Tür vorsichtig aufgemacht wurde.

Sara Čošabić

 


 

Leere Eier
Wo sind die Vögel ?
Der Kälte entflohen,
im Süden

I.S.


Kalte Hand in meiner Hand
Wärme
Weiße Hand in meiner Hand
Licht
Unsere Hände in Geborgenheit.

I.S.

 



Es wird einmal gewesen sein

Es wird einmal dort, wo du die Augen zusammenkneifen musst, wenn du in den Himmel siehst, eine Sonne gewesen sein. Es wird einmal eine Zeit gewesen sein, in der es diese Sonne gab. Dir werden einmal Leute Fragen stellen, junge Leute und Kinder, die die Sonne nie gesehen haben. Sie werden fragen: „Wie war sie denn, diese Sonne?“ Und dann wirst du sagen: „Sie war weiß und warm, gleißend hell wie eisig kalter Schnee.“

Und die Kinder werden fragen: „Was ist das, Schnee?“

Darauf wirst du schmunzeln und antworten: „Schnee war das, was ihr heute als Regen kennt, nur kälter. Nur greifbarer, fallend weiß und leicht wie die Federn eines jungen Vogels. Ebenso weich war er auch, Kinder spielten gerne im Schnee, sie ließen sich hineinfallen und ihre kleinen Körper Engel malen; hohle Abdrücke in der dichten Decke aus Flocken, dort, wo zuvor ihre Wärme von dicken Wintermänteln und kunterbunten Hauben mit Bommeln an der Spitze beschützt wurde.“

All das wirst du sagen, doch ihre Fragen werden sie weiterhin stellen, denn deine Erzählungen werden ihre Neugierde gepackt haben, werden sie wissen lassen wollen, wie es sich anfühlt, wenn ein gefrorener Eiskristall glasscherbenweiß auf ihrer Nase landet, sanft wie der Kuss einer Fee. Sie werden herausfinden wollen, ob er denn schmerzt, dieser Schnee, wenn er die Hautberührt. Oder die Sonne, von der du erzählt haben wirst, dass sie tagsüber den Himmel beleuchtete – ganz anders als die Neonlichtröhren in ihrem Krankenhaus-Weiß, die die Kinder kennen werden. Und eines Tages wird es ein kleines Mädchen geben, das dir nicht mehr von der Seite weichen wird. „Erzähl mir vom Schnee!“, wird es sagen. Und: „Erzähl mir mehr von der Sonne!“ Du wirst erzählen, worum sie dich bitten wird, die Kleine, und sie wird mit großen, vor Neugierde blitzenden Augen zuhören.

Doch du wirst nicht ewig leben – lange, ja, aber nicht ewig. Und so wird sich das Mädchen eines Tages auf die Suche nach Sonne und Schnee machen, wird die anmutig weiße Freiheit der schwebenden Flocken mit eigenen Augen sehen wollen, wird das brennend helle Sonnenweißzurückbringen wollen, zurück zu den Menschen. Das Mädchen wird die Sonne finden, wird ihre Wärme auf dem Gesicht spüren, wird vor Glück wonnig rote Wangen bekommen. Auch den Schnee wird es finden und vor seinem Biss zurückschrecken, doch nach einiger Zeit  der Erkundung dieser fremdartig weißen Substanz wird es die Schneeflocken auf der Zunge zergehen lassen und schmutzig weiße, von fadenscheiniger Erde durchzogene Schneebälle formen und hoch in die Luft werfen, bis hinauf zur Sonne. Und wenn das Mädchen schließlich zurückkehren wird, zurück zu den Menschen und seinen Freunden, wird es das Strahlen der Sonne mitgebracht haben in seinem strahlenden Gesicht, und die verspielte Anmut des Schnees in seinem kichernden Blick. Und die Leute werden fragen: „Wo warst du?“ Doch das Mädchen wird sagen: „Weit fort und frei.“

Vicky Hovdar

 



Schnee: maskulin; Pluralwort; „es schneit“; „Schneeflocken“; „Neuschnee“

weiße, kalte Substanz, die in leichten Flocken vom Himmel fällt

nass und schwer oder frisch und leicht

fiel früher v. a. in den Wintermonaten (z. B. November, Dezember, Januar, Februar), manchmal bis in den Mai

heutzutage selten; fällt meist im Mai u. Juni oder September

tritt oft als Schneesturm auf (= Sturm, in dem Schneeflocken wirbeln; kann lebensbedrohlich sein)
siehe auch: „weiße Weihnacht“ (Ausdruck für Schneereichtum am und um den 24. Dezember; früher meist erwünscht)

derzeit letzte Sichtung von Schnee: 17. Mai 2281

nächste vermutete Sichtung von Schnee: April/Mai 2282


Vicky Hovdar

Mehr Kunst-Geschichten

Kunst-Geschichten

Neu und exklusiv für alle unter 19: zum freien Museumseintritt gibt es nun günstiges Essen inklusive Getränk um nur € 5

Weiterlesen

Kunst-Geschichten

Mitmachen statt zuschauen: Dem Spieltrieb in der Kunst widmet sich die Ausstellung Spielen heißt verändern!

Weiterlesen